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Vimalakīrti-Sūtra 9

Vimalakīrti-Sūtra 9

 

Kapitel 9: Das Kapitel vom Eintritt in das Tor der Nicht-Zweiheit

Zu dieser Zeit sprach Vimalakīrti zu den versammelten Bodhisattvas: „Ihr Edlen, was ist das Tor der Nicht-Zweiheit, das ein Bodhisattva verwirklichen sollte? Bitte teilt eure Einsichten frei heraus.“

Darauf erhob sich im Kreis der Versammlung der Bodhisattva namens „Herrscher über das Dharma“ und sprach: „Ihr Edlen, Geburt und Tod bilden ein Gegensatzpaar. Doch alle Dharmas sind von Natur aus ungeboren, daher gibt es auch kein Vergehen. Wer diese Wahrheit erkennt, erlangt die Geduld der Ungeborenheit. Dies ist das Tor der Nicht-Zweiheit, das ein Bodhisattva verwirklichen sollte.“

Der Bodhisattva „Hüter der Tugend“ sprach: „‚Ich‘ und ‚Mein‘ bilden einen Gegensatz zu ‚Nicht-Ich‘ und ‚Nicht-Mein‘. Weil es das ‚Ich‘ gibt, entsteht Anhaftung an ‚Mein‘. Gibt es jedoch kein ‚Ich‘, so gibt es auch keine Anhaftung an ‚Mein‘. ‚Nicht-Ich‘ und ‚Nicht-Mein‘ zu verwirklichen – das ist das Tor der Nicht-Zweiheit, das ein Bodhisattva betreten sollte.“

Der Bodhisattva „Unablässiger Blick“ sprach:
„Die Unterscheidung zwischen Annehmen und Nicht-Annehmen des Dharmas bildet eine Dualität. Wenn man sich nicht vom Dharma binden lässt, kann es kein Erlangen des Dharmas geben. Daher gibt es keinen Dharma, den das Herz ergreifen könnte – nichts zu halten, nichts zu verwerfen, nichts zu ersehnen, nichts auszuführen. Dies ist das torlose Dharma (die Lehre der Nicht-Zweiheit), in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Höchster Tugend“ sprach:
„Befleckung durch Leidenschaften und die Reinheit der Befreiung bilden eine Dualität. Erkennt man jedoch, dass die wahre Natur der Befleckung leer ist, wird klar, dass es kein greifbares Merkmal der Befreiung gibt. Es gibt nur das bedingte Entstehen und Vergehen, wodurch scheinbar Unterscheidungen wie ‚befleckt‘ und ‚rein‘ entstehen. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Gute Zuflucht“ sprach:
„Das Merkmal der Verblendung ist Bewegung, das Merkmal der Erleuchtung ist Gedanke – sie bilden eine Dualität. Wenn das Herz unbewegt ist, gibt es keine Gedanken; ohne Gedanken gibt es keine Unterscheidung. Das ‚Zur-Ruhe-Bringen‘ der Gedanken ist Erleuchtung, doch ist nicht auch das ‚Bewegen‘ der Gedanken Erleuchtung? Die Phänomene von Ruhe und Bewegung sind nur Trugbilder, an die der Geist fälschlich anhaftet. Wer dies durchschaut, tritt in das torlose Dharma ein, wie es einem Bodhisattva gebührt.“

Der Bodhisattva „Gutes Auge“ sprach:
„Die Unterscheidung zwischen Einheit und Nicht-Einheit der Phänomene bildet eine Dualität. Erkennt man jedoch, dass Einheit zugleich Formlosigkeit ist – da alle Erscheinungen letztlich nicht dual sind – und selbst an der ‚Formlosigkeit‘ nicht haftet, so kann man in das Prinzip der vollkommenen Gleichheit eintreten. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Wunderarme“ sprach:
„Das Bodhisattva-Herz strebt nach dem Wohl aller, während das Herz der Śrāvakas nur auf eigenes Heil bedacht ist – dies bildet eine Dualität. Doch wer die formlose und leere Natur des Geistes erkennt und versteht, dass alle Phänomene wie Illusionen ohne wahre Existenz sind, für den gibt es keine Unterscheidung zwischen Bodhisattva- und Śrāvaka-Geist. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Vṛṣabha“ sprach:
„Gut und Nicht-Gut bilden eine Dualität. Wenn man keinen unterscheidenden Geist gegenüber Gut oder Nicht-Gut erzeugt, kann man in die grenzenlose Weite der formlosen Leere eintreten. Wer dies durchdringt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Löwe“ sprach:
„Sündhafte Taten und segensreiches Karma bilden eine Dualität. Durchschaut man jedoch, dass die Natur der Sünde leer ist und ebenso die Natur des Segens, so gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Sünden und Verdiensten. Mit der diamantenen Weisheit, die alle Erscheinungen durchdringt, erkennt man die wahre Natur von Schuld und Verdienst. Wer so weder an Bindung noch an Befreiung haftet, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Löwenmut“ sprach:
„Befleckung, Leidenschaften und Unreinheit gelten als ‚mit Ausfluss‘ (sāsrava); Befleckungslosigkeit, Reinheit und Geläutertheit als ‚ohne Ausfluss‘ (anāsrava) – dies bildet eine Dualität. Versteht man jedoch das Prinzip der Gleichheit aller Dharmas, entsteht keine unterscheidende Vorstellung von ‚mit Ausfluss‘ oder ‚ohne Ausfluss‘. Man haftet weder an ‚Erscheinungen‘ noch verweilt man in ‚Formlosigkeit‘. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Reine Einsicht“ sprach:
„Was erlangt werden kann, anhaftend ergriffen wird, Entstehen und Vergehen unterliegt, vergänglich ist und durch Bedingungen hervorgebracht wird, nennt man bedingte Dharmas (saṃskṛta). Was unerreichbar ist, keine Merkmale hat, jenseits von Entstehen und Vergehen steht, absolut beständig ist und nicht durch Ursachen entsteht, nennt man unbedingte Dharmas (asaṃskṛta) – dies bildet eine Dualität. Kann man sich von allen berechnenden Unterscheidungen befreien, wird der Geist befreit – frei wie der Raum. Wer mit solch reiner Weisheit leere Ungehindertheit verwirklicht, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Nārāyaṇa“ sprach:
„Wenn der Geist von äußeren Umständen bewegt wird, die sechs Sinnesobjekte ergreift und in Leidenschaften verweilt, ist dies weltliches Dasein (laukika). Wenn er nicht von Äußerem befleckt wird, nicht nach Begierden strebt und nicht mit Leidenschaften verbunden ist, ist dies überweltliches Dasein (lokottara) – dies bildet eine Dualität. Betrachtet man jedoch alle weltlichen Phänomene als bedingt entstanden und von leerer Natur, erkennt man, dass sie im Wesen nicht vom Überweltlichen verschieden sind. Da ihre Dharmata unveränderlich ist, gibt es weder Abweichung noch Verfehlung. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Guter Wille“ sprach:
„Das Ufer des kreisenden Lebens (Saṃsāra) und das Ufer der erlöschenden Befreiung (Nirvāṇa) bilden eine Dualität. Erkennt man jedoch, dass die Natur von Geburt und Tod leer und still ist, gibt es weder Geburt noch Tod, weder Fesselung durch den Kreislauf noch Befreiung durch Erlöschen. So wie es wirklich ist – nicht entstehend, nicht vergehend – wer dies begreift, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Gegenwärtige Schau“ sprach:
„‚Formlosigkeit‘ gilt als Ende, ‚Nicht-Formlosigkeit‘ als Nicht-Ende – dies bildet eine Dualität. Doch wenn das Dharma zur Vollendung gelangt, ist das Ende gleich dem Nicht-Ende in formloser Unterscheidungslosigkeit. Wer nicht an Erscheinungen haftet, erkennt in allem das unendliche Merkmal. Das unendliche Merkmal ist die Leerheit der ‚Formlosigkeit‘, und in dieser Leerheit gibt es weder Ende noch Nicht-Ende. Wer dies durchdringt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Allbewahrer“ sprach:
„Das Selbst und das Nicht-Selbst bilden eine Dualität. Wenn schon das ‚Ich‘ als Subjekt leer und ungreifbar ist, wie könnte dann ein ‚Nicht-Ich‘ ergriffen werden? Erkennt man die leere Natur des ‚Ich‘, entsteht keine Unterscheidung mehr zwischen Selbst und Nicht-Selbst. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Blitzhimmel“ sprach:
„Frei von Verblendung und wissend ist ‚Erleuchtung‘; Erkenntnis-Hindernis und Unwissenheit sind ‚Nicht-Erleuchtung‘ – dies bildet eine Dualität. Doch im Wesen ist die Natur der ‚Nicht-Erleuchtung‘ selbst ‚Erleuchtung‘. ‚Erleuchtung‘ ist leer, ungreifbar und nicht zu ergreifen. ‚Erleuchtung‘ und ‚Nicht-Erleuchtung‘ entziehen sich jeder begrifflichen Festlegung. Wer hierin keine Unterscheidung macht und in Gleichheit verweilt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Freudenschau“ sprach:
„Ist der Geist befleckt, gibt es Form (rūpa); ist er unbefleckt, ist Form leer – dies bildet eine Dualität. Doch Form ist ungreifbar und daher von Natur aus leer – es bedarf nicht ihrer Auflösung, um Leere zu erkennen, denn ihre Essenz ist bereits Leere. Ebenso verhält es sich mit Empfindung (vedanā), Wahrnehmung (saṃjñā), Gestaltungsfaktoren (saṃskāra) und Bewusstsein (vijñāna): Sie sind verkehrte Wahrnehmungen, die Leere fälschlich als dual aufspalten. Doch Bewusstsein ist selbst Leere – es muss nicht erst aufgelöst werden, um leer zu sein, denn seine Natur ist bereits Leere! Wer dies unterscheidungslos durchschaut, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Leuchtendes Merkmal“ sprach:
„Die vier großen Elemente (mahābhūta) – Erde, Wasser, Feuer, Wind – mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften und der leere Raum (ākāśa) mit seinen Eigenschaften bilden eine Dualität. Doch die wahre Natur der vier Elemente ist leer, genau wie die Natur des Raumes. Ob vor ihrem Entstehen, nach ihrem Vergehen oder während ihres Bestehens – alle sind sie von leerer Natur. Wer diese drei Zeitphasen unterscheidungslos als leer betrachtet und das Wesen aller Elemente wahrhaft erkennt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Wundersinn“ sprach:
*„Das Auge und sein Objekt, die Form, bilden eine Dualität. Erkennt man jedoch, dass das Auge selbst von leerer Natur ist, entstehen beim Wahrnehmen von Formen keine Gedanken der Gier, des Hasses oder der Verblendung – dieser Geistzustand wird ‚Stille des Erlöschens‘ (nirvāṇa) genannt. Ebenso verhält es sich mit:

  • Ohr und Schall,
  • Nase und Geruch,
  • Zunge und Geschmack,
  • Körper und Berührung,
  • Geist und Geistesobjekten –
    jedes Paar bildet eine Dualität. Durchschaut man die leere Natur aller unterscheidenden Bewusstseinsformen, entstehen keine Leidenschaften mehr. Dies ist ‚Stille‘, und wer darin verweilt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“*

Der Bodhisattva „Unerschöpflicher Sinn“ sprach:
*„Wohltätigkeit (dāna) gegenüber Wesen zu üben, um allumfassende Weisheit (sarvajñāna) zu erlangen, und diese Weisheit dann den Wesen zu widmen, bildet eine Dualität. Doch im Wesen ist die Natur der Wohltätigkeit identisch mit der Widmung der Weisheit. Ebenso gilt für:

  • Sittlichkeit (śīla),
  • Geduld (kṣānti),
  • Eifer (vīrya),
  • Meditation (dhyāna) und
  • Weisheit (prajñā) –
    jede dieser sechs Vollkommenheiten (pāramitā) bildet mit der Weisheitswidmung eine Dualität, doch ihre leere Natur ist eins mit ihr. Wer in einer dieser Vollkommenheiten die Leerheit verwirklicht, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“*

Der Bodhisattva „Tiefe Weisheit“ sprach:
„Nicht-Greifen ist die Befreiung der Leerheit (śūnyatā-vimokṣa), Nicht-Erscheinung die formlose Befreiung (animitta-vimokṣa), und Nicht-Erstreben die wunschlose Befreiung (apraṇihita-vimokṣa) – dies bildet eine Dualität. Doch betrachtet man ihre wahre Natur, sind Leerheit, Formlosigkeit und Wunschlosigkeit untrennbar eins. Wer erkennt, dass alle drei im Wesen leer sind, hat keinen unterscheidenden Geist mehr – gleich dem Raum. Durch eine dieser drei Tore der Befreiung die Leerheit zu verwirklichen, heißt, alle drei verwirklicht zu haben. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

 

Der Bodhisattva „Stille Wurzel“ sprach:
„Buddha, Dharma und Sangha bilden eine Dualität. Doch in ihrem Wesen sind Buddha identisch mit dem Dharma, und der Dharma identisch mit der Gemeinschaft – diese Drei Juwelen sind gleichermaßen von leerer Natur, ohne trennende Merkmale. So wie alle Phänomene der Welt dieser Wahrheit entsprechen: Wer diesem Prinzip folgt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Unbehinderter Geist“ sprach:
„Erscheinen und Vergehen des Körpers bilden eine Dualität. Doch in seiner leeren Natur ist das Erscheinen des Körpers zugleich sein Vergehen. Warum? Was als Körper erscheint, hat keine wahre Existenz – denn die wahre Wirklichkeit kennt keine Erscheinungen! Wer weder an die Form des erscheinenden Körpers noch an die Stille des vergehenden Körpers haftet, erkennt die Unterscheidungslosigkeit von Erscheinen und Vergehen. Ohne Furcht vor diesem Wandel verwirklicht er das torlose Dharma, wie es einem Bodhisattva gebührt.“

Der Bodhisattva „Höchstes Gut“ sprach:
„Körperliche, sprachliche und geistige Handlungen bilden eine Dualität. Diese drei heilsamen Taten sind von Natur aus leer – wirkungslos und formlos. Daher ist die Formlosigkeit körperlichen Wirkens identisch mit der Formlosigkeit sprachlichen und geistigen Wirkens. Wer erkennt, dass alle drei leer sind, sieht auch alle weltlichen Phänomene als wirkungslos an. Diesem Prinzip der Wunsch- und Wirkungslosigkeit folgend, verwirklicht man das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Verdienstfeld“ sprach:
„Heilsame, unheilsame und neutrale Taten von Körper, Sprache und Geist bilden eine Dualität. Doch in Wahrheit sind diese drei Handlungsarten leer. In der Leerheit gibt es keine Unterscheidung zwischen Verdienst, Schuld oder Neutralität. Wer diese leere Natur durchschaut und nicht daran haftet, verwirklicht das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Blumenschmuck“ sprach:
„Das Konzept eines ‚Ich‘ und die daraus entstehenden dualistischen Unterscheidungen bilden eine Zweiheit. Doch wer die leere Natur des ‚Ich‘ erkennt, erzeugt keine trennenden Gedanken mehr. Ohne Anhaftung an Dualität gibt es kein unterscheidendes Bewusstsein – und folglich nichts zu unterscheiden. Dies ist das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Tugendschatz“ sprach:
„Erlangen-Wollen und Anhaften an Formen bilden eine Dualität. Doch wo der Gedanke ‚ich erlange‘ nicht aufsteigt, gibt es kein Greifen oder Verwerfen. Dieser Zustand unterscheidungsloser Leere ist das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Mondaufgang“ sprach:
„Dunkelheit und Helligkeit bilden eine Dualität. Doch wer ihre leere Natur erkennt – wo es weder Dunkel noch Licht gibt –, hegt keine dualistischen Gedanken mehr. Warum? Wenn der Geist durch Leerheit, Formlosigkeit und Wunschlosigkeit in die Vertiefung der Wahrnehmungslosigkeit (nirodha-samāpatti) eintritt, gibt es weder Wahrheit noch Täuschung, weder Dunkel noch Licht. Alle weltlichen Phänomene folgen diesem Prinzip: Wer unterscheidungslos in dieser Gleichheit verweilt, verwirklicht das torlose Dharma, wie es einem Bodhisattva gebührt.“

Der Bodhisattva „Siegelhand“ sprach:
„Am Nirvāṇa zu haften und die Welt zu meiden, bildet eine Dualität. Wer die Leere des Kreislaufs (Saṃsāra) durchschaut, verlangt weder nach Nirvāṇa noch verachtet er die Welt. Warum? Nur wer Geburt und Tod als Fessel missversteht, sehnt sich nach Befreiung. Doch wo keine Fessel ist, welches Bedürfnis nach Erlösung gibt es dann? Ohne Bindung und ohne Befreiung verschwindet jede Unterscheidung – dies ist das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Perlenkronen-König“ sprach:
„Rechter Pfad und Irrweg bilden eine Dualität. Doch wer dem rechten Pfad folgt, haftet nicht – und wer nicht haftet, betrachtet auch das ‚Folgen‘ nicht als richtig. So entstehen keine Unterscheidungen zwischen ‚recht‘ oder ‚falsch‘. Diese Dualität zu transzendieren, ist das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Freude am Wirklichen“ sprach:
„Wahrheit und Unwahrheit bilden eine Dualität. Doch selbst ein Erleuchteter kann keine absolute Wahrheit ‚sehen‘ – wie viel weniger in der Täuschung! Warum? Die wahre Wirklichkeit (dharmatā) ist nicht mit physischen Augen erfassbar, sondern nur mit dem Weisheitsauge (prajñā-cakṣus), das zugleich alles und nichts sieht. Dies ist das torlose Dharma.“

Die Frage an Mañjuśrī

Nach diesen Worten wandten sich alle Bodhisattvas an Mañjuśrī:
„Was ist deiner Ansicht nach das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte?

Mañjuśrī sprach:
„Nach meiner Einsicht sind alle Formen (rūpa) von Natur aus leer – unbeschreibbar durch Worte, unabbildbar durch Zeichen, jenseits aller Fragen und Erklärungen. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Dann wandte sich Mañjuśrī an Vimalakīrti:
„Wir alle haben unsere Ansicht dargelegt. Nun, Ehrwürdiger, was ist dein Verständnis des torlosen Dharmas?“

Da schwieg Vimalakīrti.

Mañjuśrī pries ihn sogleich:
„Ausgezeichnet! Wahrlich, dies ist die höchste Vollendung der Leerheit – jenseits aller sprachlichen Darlegung. Das erst ist das wahre torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte!“

Die Frucht der Lehre

Während dieses Austauschs über das „Eintreten in das torlose Dharma“ erlangten fünftausend Bodhisattvas in der Versammlung die Einsicht in die Nicht-Zweiheit und verwirklichten die Geduld des Nicht-Entstehens (anutpattika-dharma-kṣānti).

 

 

Kapitel 9: Das Kapitel vom Eintritt in das Tor der Nicht-Zweiheit

Zu dieser Zeit sprach Vimalakīrti zu den versammelten Bodhisattvas: „Ihr Edlen, was ist das Tor der Nicht-Zweiheit, das ein Bodhisattva verwirklichen sollte? Bitte teilt eure Einsichten frei heraus.“

Darauf erhob sich im Kreis der Versammlung der Bodhisattva namens „Herrscher über das Dharma“ und sprach: „Ihr Edlen, Geburt und Tod bilden ein Gegensatzpaar. Doch alle Dharmas sind von Natur aus ungeboren, daher gibt es auch kein Vergehen. Wer diese Wahrheit erkennt, erlangt die Geduld der Ungeborenheit. Dies ist das Tor der Nicht-Zweiheit, das ein Bodhisattva verwirklichen sollte.“

Der Bodhisattva „Hüter der Tugend“ sprach: „‚Ich‘ und ‚Mein‘ bilden einen Gegensatz zu ‚Nicht-Ich‘ und ‚Nicht-Mein‘. Weil es das ‚Ich‘ gibt, entsteht Anhaftung an ‚Mein‘. Gibt es jedoch kein ‚Ich‘, so gibt es auch keine Anhaftung an ‚Mein‘. ‚Nicht-Ich‘ und ‚Nicht-Mein‘ zu verwirklichen – das ist das Tor der Nicht-Zweiheit, das ein Bodhisattva betreten sollte.“

Der Bodhisattva „Unablässiger Blick“ sprach:
„Die Unterscheidung zwischen Annehmen und Nicht-Annehmen des Dharmas bildet eine Dualität. Wenn man sich nicht vom Dharma binden lässt, kann es kein Erlangen des Dharmas geben. Daher gibt es keinen Dharma, den das Herz ergreifen könnte – nichts zu halten, nichts zu verwerfen, nichts zu ersehnen, nichts auszuführen. Dies ist das torlose Dharma (die Lehre der Nicht-Zweiheit), in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Höchster Tugend“ sprach:
„Befleckung durch Leidenschaften und die Reinheit der Befreiung bilden eine Dualität. Erkennt man jedoch, dass die wahre Natur der Befleckung leer ist, wird klar, dass es kein greifbares Merkmal der Befreiung gibt. Es gibt nur das bedingte Entstehen und Vergehen, wodurch scheinbar Unterscheidungen wie ‚befleckt‘ und ‚rein‘ entstehen. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Gute Zuflucht“ sprach:
„Das Merkmal der Verblendung ist Bewegung, das Merkmal der Erleuchtung ist Gedanke – sie bilden eine Dualität. Wenn das Herz unbewegt ist, gibt es keine Gedanken; ohne Gedanken gibt es keine Unterscheidung. Das ‚Zur-Ruhe-Bringen‘ der Gedanken ist Erleuchtung, doch ist nicht auch das ‚Bewegen‘ der Gedanken Erleuchtung? Die Phänomene von Ruhe und Bewegung sind nur Trugbilder, an die der Geist fälschlich anhaftet. Wer dies durchschaut, tritt in das torlose Dharma ein, wie es einem Bodhisattva gebührt.“

Der Bodhisattva „Gutes Auge“ sprach:
„Die Unterscheidung zwischen Einheit und Nicht-Einheit der Phänomene bildet eine Dualität. Erkennt man jedoch, dass Einheit zugleich Formlosigkeit ist – da alle Erscheinungen letztlich nicht dual sind – und selbst an der ‚Formlosigkeit‘ nicht haftet, so kann man in das Prinzip der vollkommenen Gleichheit eintreten. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Wunderarme“ sprach:
„Das Bodhisattva-Herz strebt nach dem Wohl aller, während das Herz der Śrāvakas nur auf eigenes Heil bedacht ist – dies bildet eine Dualität. Doch wer die formlose und leere Natur des Geistes erkennt und versteht, dass alle Phänomene wie Illusionen ohne wahre Existenz sind, für den gibt es keine Unterscheidung zwischen Bodhisattva- und Śrāvaka-Geist. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Vṛṣabha“ sprach:
„Gut und Nicht-Gut bilden eine Dualität. Wenn man keinen unterscheidenden Geist gegenüber Gut oder Nicht-Gut erzeugt, kann man in die grenzenlose Weite der formlosen Leere eintreten. Wer dies durchdringt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Löwe“ sprach:
„Sündhafte Taten und segensreiches Karma bilden eine Dualität. Durchschaut man jedoch, dass die Natur der Sünde leer ist und ebenso die Natur des Segens, so gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Sünden und Verdiensten. Mit der diamantenen Weisheit, die alle Erscheinungen durchdringt, erkennt man die wahre Natur von Schuld und Verdienst. Wer so weder an Bindung noch an Befreiung haftet, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Löwenmut“ sprach:
„Befleckung, Leidenschaften und Unreinheit gelten als ‚mit Ausfluss‘ (sāsrava); Befleckungslosigkeit, Reinheit und Geläutertheit als ‚ohne Ausfluss‘ (anāsrava) – dies bildet eine Dualität. Versteht man jedoch das Prinzip der Gleichheit aller Dharmas, entsteht keine unterscheidende Vorstellung von ‚mit Ausfluss‘ oder ‚ohne Ausfluss‘. Man haftet weder an ‚Erscheinungen‘ noch verweilt man in ‚Formlosigkeit‘. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Reine Einsicht“ sprach:
„Was erlangt werden kann, anhaftend ergriffen wird, Entstehen und Vergehen unterliegt, vergänglich ist und durch Bedingungen hervorgebracht wird, nennt man bedingte Dharmas (saṃskṛta). Was unerreichbar ist, keine Merkmale hat, jenseits von Entstehen und Vergehen steht, absolut beständig ist und nicht durch Ursachen entsteht, nennt man unbedingte Dharmas (asaṃskṛta) – dies bildet eine Dualität. Kann man sich von allen berechnenden Unterscheidungen befreien, wird der Geist befreit – frei wie der Raum. Wer mit solch reiner Weisheit leere Ungehindertheit verwirklicht, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Nārāyaṇa“ sprach:
„Wenn der Geist von äußeren Umständen bewegt wird, die sechs Sinnesobjekte ergreift und in Leidenschaften verweilt, ist dies weltliches Dasein (laukika). Wenn er nicht von Äußerem befleckt wird, nicht nach Begierden strebt und nicht mit Leidenschaften verbunden ist, ist dies überweltliches Dasein (lokottara) – dies bildet eine Dualität. Betrachtet man jedoch alle weltlichen Phänomene als bedingt entstanden und von leerer Natur, erkennt man, dass sie im Wesen nicht vom Überweltlichen verschieden sind. Da ihre Dharmata unveränderlich ist, gibt es weder Abweichung noch Verfehlung. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Guter Wille“ sprach:
„Das Ufer des kreisenden Lebens (Saṃsāra) und das Ufer der erlöschenden Befreiung (Nirvāṇa) bilden eine Dualität. Erkennt man jedoch, dass die Natur von Geburt und Tod leer und still ist, gibt es weder Geburt noch Tod, weder Fesselung durch den Kreislauf noch Befreiung durch Erlöschen. So wie es wirklich ist – nicht entstehend, nicht vergehend – wer dies begreift, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Gegenwärtige Schau“ sprach:
„‚Formlosigkeit‘ gilt als Ende, ‚Nicht-Formlosigkeit‘ als Nicht-Ende – dies bildet eine Dualität. Doch wenn das Dharma zur Vollendung gelangt, ist das Ende gleich dem Nicht-Ende in formloser Unterscheidungslosigkeit. Wer nicht an Erscheinungen haftet, erkennt in allem das unendliche Merkmal. Das unendliche Merkmal ist die Leerheit der ‚Formlosigkeit‘, und in dieser Leerheit gibt es weder Ende noch Nicht-Ende. Wer dies durchdringt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Allbewahrer“ sprach:
„Das Selbst und das Nicht-Selbst bilden eine Dualität. Wenn schon das ‚Ich‘ als Subjekt leer und ungreifbar ist, wie könnte dann ein ‚Nicht-Ich‘ ergriffen werden? Erkennt man die leere Natur des ‚Ich‘, entsteht keine Unterscheidung mehr zwischen Selbst und Nicht-Selbst. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Blitzhimmel“ sprach:
„Frei von Verblendung und wissend ist ‚Erleuchtung‘; Erkenntnis-Hindernis und Unwissenheit sind ‚Nicht-Erleuchtung‘ – dies bildet eine Dualität. Doch im Wesen ist die Natur der ‚Nicht-Erleuchtung‘ selbst ‚Erleuchtung‘. ‚Erleuchtung‘ ist leer, ungreifbar und nicht zu ergreifen. ‚Erleuchtung‘ und ‚Nicht-Erleuchtung‘ entziehen sich jeder begrifflichen Festlegung. Wer hierin keine Unterscheidung macht und in Gleichheit verweilt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Freudenschau“ sprach:
„Ist der Geist befleckt, gibt es Form (rūpa); ist er unbefleckt, ist Form leer – dies bildet eine Dualität. Doch Form ist ungreifbar und daher von Natur aus leer – es bedarf nicht ihrer Auflösung, um Leere zu erkennen, denn ihre Essenz ist bereits Leere. Ebenso verhält es sich mit Empfindung (vedanā), Wahrnehmung (saṃjñā), Gestaltungsfaktoren (saṃskāra) und Bewusstsein (vijñāna): Sie sind verkehrte Wahrnehmungen, die Leere fälschlich als dual aufspalten. Doch Bewusstsein ist selbst Leere – es muss nicht erst aufgelöst werden, um leer zu sein, denn seine Natur ist bereits Leere! Wer dies unterscheidungslos durchschaut, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Leuchtendes Merkmal“ sprach:
„Die vier großen Elemente (mahābhūta) – Erde, Wasser, Feuer, Wind – mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften und der leere Raum (ākāśa) mit seinen Eigenschaften bilden eine Dualität. Doch die wahre Natur der vier Elemente ist leer, genau wie die Natur des Raumes. Ob vor ihrem Entstehen, nach ihrem Vergehen oder während ihres Bestehens – alle sind sie von leerer Natur. Wer diese drei Zeitphasen unterscheidungslos als leer betrachtet und das Wesen aller Elemente wahrhaft erkennt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Wundersinn“ sprach:
*„Das Auge und sein Objekt, die Form, bilden eine Dualität. Erkennt man jedoch, dass das Auge selbst von leerer Natur ist, entstehen beim Wahrnehmen von Formen keine Gedanken der Gier, des Hasses oder der Verblendung – dieser Geistzustand wird ‚Stille des Erlöschens‘ (nirvāṇa) genannt. Ebenso verhält es sich mit:

  • Ohr und Schall,
  • Nase und Geruch,
  • Zunge und Geschmack,
  • Körper und Berührung,
  • Geist und Geistesobjekten –
    jedes Paar bildet eine Dualität. Durchschaut man die leere Natur aller unterscheidenden Bewusstseinsformen, entstehen keine Leidenschaften mehr. Dies ist ‚Stille‘, und wer darin verweilt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“*

Der Bodhisattva „Unerschöpflicher Sinn“ sprach:
*„Wohltätigkeit (dāna) gegenüber Wesen zu üben, um allumfassende Weisheit (sarvajñāna) zu erlangen, und diese Weisheit dann den Wesen zu widmen, bildet eine Dualität. Doch im Wesen ist die Natur der Wohltätigkeit identisch mit der Widmung der Weisheit. Ebenso gilt für:

  • Sittlichkeit (śīla),
  • Geduld (kṣānti),
  • Eifer (vīrya),
  • Meditation (dhyāna) und
  • Weisheit (prajñā) –
    jede dieser sechs Vollkommenheiten (pāramitā) bildet mit der Weisheitswidmung eine Dualität, doch ihre leere Natur ist eins mit ihr. Wer in einer dieser Vollkommenheiten die Leerheit verwirklicht, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“*

Der Bodhisattva „Tiefe Weisheit“ sprach:
„Nicht-Greifen ist die Befreiung der Leerheit (śūnyatā-vimokṣa), Nicht-Erscheinung die formlose Befreiung (animitta-vimokṣa), und Nicht-Erstreben die wunschlose Befreiung (apraṇihita-vimokṣa) – dies bildet eine Dualität. Doch betrachtet man ihre wahre Natur, sind Leerheit, Formlosigkeit und Wunschlosigkeit untrennbar eins. Wer erkennt, dass alle drei im Wesen leer sind, hat keinen unterscheidenden Geist mehr – gleich dem Raum. Durch eine dieser drei Tore der Befreiung die Leerheit zu verwirklichen, heißt, alle drei verwirklicht zu haben. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

 

Der Bodhisattva „Stille Wurzel“ sprach:
„Buddha, Dharma und Sangha bilden eine Dualität. Doch in ihrem Wesen sind Buddha identisch mit dem Dharma, und der Dharma identisch mit der Gemeinschaft – diese Drei Juwelen sind gleichermaßen von leerer Natur, ohne trennende Merkmale. So wie alle Phänomene der Welt dieser Wahrheit entsprechen: Wer diesem Prinzip folgt, für den ist dies das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Der Bodhisattva „Unbehinderter Geist“ sprach:
„Erscheinen und Vergehen des Körpers bilden eine Dualität. Doch in seiner leeren Natur ist das Erscheinen des Körpers zugleich sein Vergehen. Warum? Was als Körper erscheint, hat keine wahre Existenz – denn die wahre Wirklichkeit kennt keine Erscheinungen! Wer weder an die Form des erscheinenden Körpers noch an die Stille des vergehenden Körpers haftet, erkennt die Unterscheidungslosigkeit von Erscheinen und Vergehen. Ohne Furcht vor diesem Wandel verwirklicht er das torlose Dharma, wie es einem Bodhisattva gebührt.“

Der Bodhisattva „Höchstes Gut“ sprach:
„Körperliche, sprachliche und geistige Handlungen bilden eine Dualität. Diese drei heilsamen Taten sind von Natur aus leer – wirkungslos und formlos. Daher ist die Formlosigkeit körperlichen Wirkens identisch mit der Formlosigkeit sprachlichen und geistigen Wirkens. Wer erkennt, dass alle drei leer sind, sieht auch alle weltlichen Phänomene als wirkungslos an. Diesem Prinzip der Wunsch- und Wirkungslosigkeit folgend, verwirklicht man das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Verdienstfeld“ sprach:
„Heilsame, unheilsame und neutrale Taten von Körper, Sprache und Geist bilden eine Dualität. Doch in Wahrheit sind diese drei Handlungsarten leer. In der Leerheit gibt es keine Unterscheidung zwischen Verdienst, Schuld oder Neutralität. Wer diese leere Natur durchschaut und nicht daran haftet, verwirklicht das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Blumenschmuck“ sprach:
„Das Konzept eines ‚Ich‘ und die daraus entstehenden dualistischen Unterscheidungen bilden eine Zweiheit. Doch wer die leere Natur des ‚Ich‘ erkennt, erzeugt keine trennenden Gedanken mehr. Ohne Anhaftung an Dualität gibt es kein unterscheidendes Bewusstsein – und folglich nichts zu unterscheiden. Dies ist das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Tugendschatz“ sprach:
„Erlangen-Wollen und Anhaften an Formen bilden eine Dualität. Doch wo der Gedanke ‚ich erlange‘ nicht aufsteigt, gibt es kein Greifen oder Verwerfen. Dieser Zustand unterscheidungsloser Leere ist das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Mondaufgang“ sprach:
„Dunkelheit und Helligkeit bilden eine Dualität. Doch wer ihre leere Natur erkennt – wo es weder Dunkel noch Licht gibt –, hegt keine dualistischen Gedanken mehr. Warum? Wenn der Geist durch Leerheit, Formlosigkeit und Wunschlosigkeit in die Vertiefung der Wahrnehmungslosigkeit (nirodha-samāpatti) eintritt, gibt es weder Wahrheit noch Täuschung, weder Dunkel noch Licht. Alle weltlichen Phänomene folgen diesem Prinzip: Wer unterscheidungslos in dieser Gleichheit verweilt, verwirklicht das torlose Dharma, wie es einem Bodhisattva gebührt.“

Der Bodhisattva „Siegelhand“ sprach:
„Am Nirvāṇa zu haften und die Welt zu meiden, bildet eine Dualität. Wer die Leere des Kreislaufs (Saṃsāra) durchschaut, verlangt weder nach Nirvāṇa noch verachtet er die Welt. Warum? Nur wer Geburt und Tod als Fessel missversteht, sehnt sich nach Befreiung. Doch wo keine Fessel ist, welches Bedürfnis nach Erlösung gibt es dann? Ohne Bindung und ohne Befreiung verschwindet jede Unterscheidung – dies ist das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Perlenkronen-König“ sprach:
„Rechter Pfad und Irrweg bilden eine Dualität. Doch wer dem rechten Pfad folgt, haftet nicht – und wer nicht haftet, betrachtet auch das ‚Folgen‘ nicht als richtig. So entstehen keine Unterscheidungen zwischen ‚recht‘ oder ‚falsch‘. Diese Dualität zu transzendieren, ist das torlose Dharma.“

Der Bodhisattva „Freude am Wirklichen“ sprach:
„Wahrheit und Unwahrheit bilden eine Dualität. Doch selbst ein Erleuchteter kann keine absolute Wahrheit ‚sehen‘ – wie viel weniger in der Täuschung! Warum? Die wahre Wirklichkeit (dharmatā) ist nicht mit physischen Augen erfassbar, sondern nur mit dem Weisheitsauge (prajñā-cakṣus), das zugleich alles und nichts sieht. Dies ist das torlose Dharma.“

Die Frage an Mañjuśrī

Nach diesen Worten wandten sich alle Bodhisattvas an Mañjuśrī:
„Was ist deiner Ansicht nach das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte?

Mañjuśrī sprach:
„Nach meiner Einsicht sind alle Formen (rūpa) von Natur aus leer – unbeschreibbar durch Worte, unabbildbar durch Zeichen, jenseits aller Fragen und Erklärungen. Dies ist das torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte.“

Dann wandte sich Mañjuśrī an Vimalakīrti:
„Wir alle haben unsere Ansicht dargelegt. Nun, Ehrwürdiger, was ist dein Verständnis des torlosen Dharmas?“

Da schwieg Vimalakīrti.

Mañjuśrī pries ihn sogleich:
„Ausgezeichnet! Wahrlich, dies ist die höchste Vollendung der Leerheit – jenseits aller sprachlichen Darlegung. Das erst ist das wahre torlose Dharma, in das ein Bodhisattva eintreten sollte!“

Die Frucht der Lehre

Während dieses Austauschs über das „Eintreten in das torlose Dharma“ erlangten fünftausend Bodhisattvas in der Versammlung die Einsicht in die Nicht-Zweiheit und verwirklichten die Geduld des Nicht-Entstehens (anutpattika-dharma-kṣānti).